Ansicht Aktuelles

Wie kriegen wir das Gift vom Acker?

Gemeinsam für den Erhalt der Artenvielfalt - MdEP Martin Häusling zu Besuch in Landshut

20.07.18 –

Wie kriegen wir das Gift vom Acker? Über diese Frage diskutierten die Landshuter Grünen mit dem Europaabgeordneten Martin Häusling. Häusling ist Biolandwirt aus Hessen und kämpft seit Jahren gegen den massiven Einsatz von Pflanzengiften wie Glyphosat. „Am besten wäre es, das Gift würde gar nicht erst auf den Acker gelangen,“ so Häusling in seinem einführenden Vortrag. „Es greift tief in die ökologischen Abläufe ein und reichert sich im Boden an“. Glyphosat ermöglicht den Landwirten große Flächen kostengünstig zu bewirtschaften und verändert damit die gewachsene Kulturlandschaft. Zudem ist die Verwendung von Pflanzengiften ein Treiber des Artensterbens. „Der Verlust der Artenvielfalt ist mittlerweile wissenschaftlich gut belegt“, so der Referent. Dabei sind es nicht nur einzelne Arten wie z.B. Rebhühner, deren Bestand gefährdet ist. Die Biomasse der Insekten ist um 80% zurückgegangen. „Das ist dramatisch, nicht zuletzt für das Überleben der Menschen“, betonte Häusling. Auch die bayerische Staatsregierung bestätigte im Landtag den Verlust der Artenvielfalt, berichtete Landtagsabgeordnete Rosi Steinberger. „Selbst die Kollegen*innen von der CSU waren erschüttert. Sie konnten sich aber nicht durchringen, unserer Forderung nach einem verpflichtenden Gewässerrandstreifen zuzustimmen. Wir Grünen haben deshalb einen Entwurf für ein Artenschutzgesetz in den Landtag eingebracht.“ 

Häusling zeigte an dieser Stelle auch Verständnis für die Landwirte. Bei den niedrigen Preisen sind sie gezwungen, auf jedem Quadratmeter Spitzenleistungen zur erzielen. Doch nachhaltig sei das nicht.  Er forderte daher, dass die Umweltleistungen von Landwirten endlich hinreichend gefördert werden. Eine reine Flächenprämie von 300,-€ pro Jahr und Hektar macht für ihn keinen Sinn. „Leider können sich aber der Bauernverband, die Agrarlobby und viele konservative Politiker eine andere Landwirtschaft nicht mehr vorstellen“, führte Häusling aus. „Wird ein Pflanzengift verboten, fordern sie ein anderes, dass wiederum nach kurzer Zeit zu Problemen führt.“ Dabei gibt es die giftgetriebene Landwirtschaft erst seit den 60er Jahren. Und es gibt Alternativen: kleinteilig strukturierte Felder, vielfältige Fruchtfolgen und Schutz der natürlichen Gegenspieler. Der Ökolandbau macht es vor, wie man ohne Gift wirtschaftet.

Natürlich ist die Umstellung auf Ökolandbau nicht für jeden Landwirt und nicht sofort möglich. Landesvorsitzende Sigi Hagl forderte daher ein  wirksames Pestizidminimierungsprogramm für Bayern. „100.000 Tonnen Pestizide landen jährlich deutschlandweit auf den Äckern. Das ist doppelt so viel als noch vor 30 Jahren. Ein gigantischer Chemieeinsatz! Wir wollen die Pflanzengifte bis 2030 um 50 % reduzieren und langfristig die Landwirtschaft in die Lage versetzen, ohne Gift auszukommen,“ so Hagl.

Häusling sieht auch die Politik in der Pflicht, andere Rahmenbedingungen zu setzen. „Deutschland hinkt bei der Umsetzung der Umweltschutzvorgaben weit hinterher. Nicht umsonst sind 35 EU-Verfahren anhängig.“ Gerade ein Land wie Deutschland können in der EU viel bewirken, wenn es denn will.

Der Europaabgeordnete plädierte auch für eine andere Ausbildung der Landwirte. „Heute lernen die jungen Landwirte zwar, welches Gift sie wann in welcher Menge auf welcher Fläche ausbringen, aber Alternativen zum Gifteinsatz werden kaum aufgezeigt, der Ökolandbau kommt im regulären Lehrplan nur am Rande vor“, so Häusling.

„Und natürlich müssen wir unsere Handelspolitik ändern“, gab der Abgeordnete zu bedenken.  Freihandelsabkommen öffnen zwar neue Märkte für deutsche Lebensmittel, doch die finden nur Absatz, wenn sie billiger sind als die heimischen Produkte. So wird bei uns noch mehr, noch billiger produziert. Dem fallen dann die kleinen Landwirte hier und die Kleinbauern in den Ländern des globalen Südens zum Opfer. Den Preis dafür zahlt die Umwelt, denn billiger geht nur mit Pflanzengiften. Alternativen für die Landwirte sieht Häusling in regionalen Absatzmärkten. Der Verbraucher ist durchaus bereit, für regionale Produkte mehr zu zahlen, wenn transparent ist, worin die Mehr-Leistung besteht. Etwa in mehr Umweltschutz oder in tiergerechten Ställen. Dafür müssen in Deutschland vielerorts noch die Strukturen aufgebaut und das Bewusstsein der Verbraucher geweckt werden. Aber das wäre eine echte Alternative für die deutsche Landwirtschaft. Häusling, Steinberger und Hagl wollen sich weiter für den Erhalt der Artenvielfalt engagieren. Die Grünen werden am Thema dranbleiben versprachen sie und sind zuversichtlich, dass eine breite gesellschaftliche Diskussion die konservative Mehrheit zum Umlenken bewegen wird.

Kategorie

Europa | Naturschutz | Veranstaltung